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  • AutorenbildVerena Wodniansky-Wildenfeld

Was garantiert die Preisgarantie?

Der Energiepreis ist seit Monaten starken Schwankungen ausgesetzt- das bereitet nicht nur den Kundinnen Kopfzerbrechen.

Wenn die Energiepreise in bisher unbekannte Höhen steigen, ist die Garantie, dass der eigene Strompreis wenigstens für eine gewisse Zeit gleich bleibt, Gold wert. Doch was, wenn die Lieferantin nun plötzlich vor Ablauf dieses versprochenen Zeitraums den Vertrag kündigt und die Stromversorgung einstellt? Ein österreichisches Gericht hat sich nun mit dieser Frage beschäftigt und sein Urteil unlängst veröffentlicht.


Preiserhöhung bei Energielieferverträgen

Die großen Schwierigkeiten, die sich bei Verträgen über Gas und Strom ergeben, liegen in den teils enormen Schwankungen der Preise. Anders als etwa bei Abschluss eines Zeitschriftenabonnements kann man nur schwer, oder momentan eigentlich gar nicht, kalkulieren, wie viel dieselbe Menge Strom in drei Monaten kostet. Dies führt zu dem Dilemma, dass Energielieferantinnen Gefahr laufen, teurer auf dem Markt einkaufen zu müssen als der Preis, zu dem sie vertraglich zur Lieferung an die Kundinnen verpflichtet sind. Um keinen Verlust zu machen, bleibt den Energielieferantinnen daher nichts anderes übrig, als die Preise (auch für bestehende Kundinnen) zu erhöhen. Doch ist es überhaupt möglich, einen bereits vereinbarten Preis nachträglich zu ändern? Vertraglich vereinbaren kann man bekanntlich vieles – so auch die Möglichkeit einer Preiserhöhung. Ein Blick in die konkreten Vertragsbedingungen sollte also eigentlich genügen, um festzustellen, ob der eigene Energieanbieter den Preis für Strom oder Gas erhöhen darf.


Wie kann eine solche Preiserhöhung nun konkret ausgestaltet sein?


Vertraglich vereinbarte Preiserhöhung (für Strom- und Gaslieferverträge)

Preisanpassung

Die Lieferantin kann mit ihren Kundinnen vereinbaren, dass die Preise in bestimmten Intervallen (z.B. alle sechs Monate) an einen bestimmen Index (z.B. den österreichischen Strompreisindex) angepasst werden – dies gilt dann aber in beide Richtungen: fällt also der Index, müssen auch die Preise fallen.

Preisänderung

Keine vertragliche Vereinbarung (nur für Stromlieferverträge)

Die Besonderheit bei Stromlieferverträgen liegt seit Februar 2022 darin, dass der ursprünglich vereinbarte Preis auch ohne vertragliche Vereinbarung verändert werden kann, um so auf aktuelle Preisentwicklungen reagieren zu können. Die Kundin kann auch dieser Preiserhöhung widersprechen und so den Vertrag beenden. Dass ihr nach der Kündigung bei einer neuen Lieferantin allerdings der Preis, den sie mit ihrer alten Lieferantin vereinbart hat, angeboten wird, ist unwahrscheinlich. Auch in diesem Fall muss die Lieferantin auf die Angemessenheit der Preiserhöhung achten und bei geänderten Umständen die Preise wieder senken.


Die Preisgarantie

Weil damit in den verschiedensten Konstellationen die Möglichkeit einer einseitigen Anpassung der Energiepreise durch die Lieferantin besteht, haben viele Kundinnen das Mittel gegen diese Ungewissheit am Energiemarkt im Abschluss eines Vertrags mit einer Preisgarantie gesehen. Solange eine solche Garantie gilt, verzichtet die Lieferantin vertraglich darauf, die Preise zu verändern – unabhängig davon, wie viel sie selbst für die Beschaffung des zu liefernden Stroms oder Gas am Markt bezahlen muss. Bei Rekordhöhen der Energiepreise und keiner Aussicht auf Besserung, wie in den letzten Monaten, sind solche Verträge den Lieferantinnen naturgemäß ein Dorn im Auge. Die Kundinnen haben wohl regelmäßig anfänglich ein wenig mehr für den Strom gezahlt als bei einem Vertrag ohne eine solche Preisgarantie. Trotzdem kommen die garantierten Strompreise die Lieferantinnen inzwischen erheblich teurer als ursprünglich einkalkuliert. Die Lösung für dieses Problem hat nun eine Stromlieferantin in der Kündigung solcher Verträge nach einem Jahr gesehen, um so wenigstens die letzten sechs Monate der eigentlich 18-monatigen Preisgarantie zu vermeiden. Aber geht das so einfach?


Die ordentliche Kündigung

Vorweg einige Informationen zur Kündigung, um Klarheit zu schaffen: Grundsätzlich können sich bei auf Dauer abgeschlossenen Verträgen alle Parteien jederzeit von ihrem Leistungsversprechen lösen – durch die sogenannte ordentliche Kündigung. Wird etwa die Belieferung von Strom oder Gas über längere Zeit ohne Bestimmung eines Endzeitpunktes vereinbart, können beide Parteien jederzeit erklären, von jetzt an nicht mehr daran gebunden sein zu wollen. Dafür bedarf es keiner zusätzlichen Gründe, ja nicht einmal eine Begründung. Es muss lediglich eine angemessene Kündigungsfrist eingehalten werden. Das Gesetz kennt von dieser Grundregel jedoch Ausnahmen. Eine solche Ausnahme ist etwa im Mietrechtsgesetz festgelegt, wonach die Vermieterin das unbefristete Mietverhältnis nicht einfach nach Lust und Laune kündigen kann. Außerdem kann kraft Parteivereinbarung schon bei Vertragsschluss z.B. auf eine Kündigung im ersten Jahr verzichtet werden (man denke nur an die Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio, die man erst nach Ablauf einer bestimmten Zeit beenden kann).


Ordentlich gekündigt trotz Preisgarantie?

Die Energielieferantin im kürzlich entschiedenen Fall des Bezirksgerichts Dornbirn hat einen solchen Kündigungsverzicht für zwölf Monate in die allgemeinen Geschäftsbedingungen ihrer Stromlieferverträge aufgenommen. Gleichzeitig hat sie mit einer Preisgarantie für 18 Monate geworben, für die die Kundinnen auch bereit waren, mehr als für einen Vertrag ohne oder mit einer kürzeren Preisgarantie zu bezahlen. Die Lieferantin hat von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht nach den zwölf Monaten Vertragsbindung Gebrauch gemacht und den Kundinnen den (dank der Preisgarantie) günstigen Strom abgedreht. Die Kundinnen mussten nunmehr neue Verträge abschließen – zu den mittlerweile erheblich gestiegenen Preisen –, um nicht plötzlich „energielos“ dazustehen. Daraufhin klagten einige der Kundinnen die Lieferantin.

Das Gericht entschied, dass die Kündigung vor dem Ablauf der Preisgarantie ungerechtfertigt war. Die versprochenen 18 Monate Preisgarantie müssten gleichzeitig als Verzicht auf die ordentliche Kündigung in dieser Zeit verstanden werden. Die Lieferantin habe daher die zusätzlichen Kosten zu ersetzen, die durch den Abschluss eines neuen Vertrages bis zum Ablauf der eigentlichen Preisgarantie entstanden sind. Es bleibt abzuwarten, ob das Urteil in dieser Form Bestand haben oder ob es vom Berufungsgericht abgeändert wird.


Kurz gesagt


  • Aufgrund der stark steigenden Energiepreise können Energielieferantinnen auch bei bestehenden Verträgen die Preise angemessen erhöhen, sofern es eine vertragliche Grundlage hierfür gibt. Fallen die Preise am Markt wieder, muss sich dies dann aber auch in den Rechnungen der Kundinnen widerspiegeln.


  • Bei Stromlieferverträgen kann die Lieferantin auch ohne vertragliche Vereinbarung die Preise erhöhen, wenn der Marktpreis steigt. Kundinnen können ihren Vertrag bei einer solchen Preisänderung im Regelfall aufkündigen. Bei Gaslieferverträgen ist diese Preiserhöhung derzeit nicht möglich – sofern sie nicht vorher vertraglich festgelegt wurde.


  • Die Preisgarantie verpflichtet die Lieferantin über einen bestimmten Zeitraum die Preise nicht zu erhöhen. Ob eine Lieferantin während dieser Zeit dennoch von ihrem ordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch machen kann, ist fraglich. Folgt man dem Urteil des Bezirksgerichts Dornbirn, ist dies jedenfalls ohne zusätzlichen eindeutigen Hinweis in den Vertragsbedingungen nicht möglich.


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Als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Doktorandin am Institut für Europarecht, Internationales Recht und Rechtsvergleichung leuchtet Verena Wodniansky-Wildenfeld das Recht aus seinen verschiedensten Perspektiven aus. Für ihren großartigen überzuckert deep-dive hat sie nun einen neuen Blickwinkel eingenommen und die derzeit besonders brisanten Rechtsfragen rund um Strom- und Gaspreise einfach erklärt!

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